Nachhaltige Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen sind im Aufkommen. Können als Rohstoff auch Abfallprodukte aus der Lebensmittelindustrie eingesetzt werden? Rohstoff-Recycling als Gegenmassnahme zu Food Waste? Die Silac wollte es wissen und hat gemeinsam mit der ZHAW Life Sciences and Facility Management ein Forschungsprojekt lanciert. Die Resultate sind vielversprechend.
2.8 Millionen Tonnen Food Waste
Gemäss einer Studie des Bundesamtes für Umwelt werden in der Schweiz über 2.8 Millionen Tonnen Food Waste generiert. Dies sind Lebensmittel, die für den menschlichen Konsum produziert wurden, jedoch auf dem Weg vom Feld bis zum Teller verloren oder weggeworfen werden. Mit 35 Prozent fällt der grösste Anteil in der Lebensmittelverarbeitung an. Food Waste entsteht hier, wenn nicht alle Nebenprodukte verwendet werden (zum Beispiel Molke, Okara bei der Tofuherstellung, Innereien).
Die Lebensmittelabfälle werden zwar teilweise in der Tierfutterindustrie eingesetzt oder thermisch verwertet, der grösste Teil wird hingegen einfach entsorgt. Das darf nicht sein, denn Food Waste hat weitreichende Auswirkungen auf unsere Umwelt und unser Klima.
Wir wissen heute, dass es zu teuer ist, Lebensmittel am Ende der Lebensmittelkette retten zu wollen. Daher gehen die Anstrengungen in die entgegengesetzte Richtung: zur Entwicklung neuer Verarbeitungswege und Produktinnovationen mit dem Ziel einer Kreislaufwirtschaft. Ungenutzte Rohmaterialien sollen reduziert, Nebenprodukte und Lebensmittelabfälle aufgewertet und in die Lebensmittelkette zurückgeführt werden. Ende 2021 wurde die erste industrieübergreifende Handelsplattform für industrielle Nebenströme namens Circado von der Zürcher Firma RethinkResource ins Leben gerufen. Die Plattform bringt Anbieter und Abnehmer zusammen und hat schon etliche innovative Partnerschaften ermöglicht und zukunftsweisende Endprodukte hervorgebracht. So zum Beispiel Peelings aus Fruchtkernen, Chips aus Biertreber oder Garn aus Orangenschalen. Es gibt unzählige Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft.
Verpackungen aus Nebenströmen
Das Interesse für nachhaltige Rohstoffe ist auch bei der Silac gross. Einerseits liegt dem Familienunternehmen Nachhaltigkeit seit jeher am Herzen, andererseits ist die Nachfrage nach biobasierten, plastikfreien Verpackungen in den letzten Jahren stark gestiegen. Erste Erfahrungen mit nachwachsendem Biokunststoff konnte Silac bereits mit der erfolgreichen Lancierung des Zellulose-Kunststoff-Verschlusses für die Firma SIGG Switzerland sammeln. Nun möchte das innovative Kunststoffwerk einen Schritt weiter gehen und nachhaltige Rohstoffe aus Lebensmittelindustrieabfall verwerten. Die sogenannten Nebenströme sollen als Alternative zu Plastik bei Verpackungen eingesetzt werden und einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung des Food Waste leisten. Zu diesem Zweck lancierte Silac gemeinsam mit dem ZHAW Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation und der Firma Sax Polymers Industrie AG (nachfolgend SAX) das Forschungsprojekt «Verpackungen aus Nebenströmen».
Im Rahmen dieser Vorstudie sollte die Machbarkeit des Einsatzes von Nebenströmen der Lebensmittelproduktion für die Herstellung von Spritzguss- oder Heisspressteilen geprüft werden. Im Projekt wurden folgende Aspekte eruiert:
- Welche Abfallprodukte aus der Lebensmittelindustrie würden sich eignen.
- Welche Compoundierung ist anzuwenden (Beimischung von Zuschlagstoffen).
- Welche Resultate lassen sich im Spritzgussverfahren erzielen.
Evaluation möglicher Nebenströme
Das ZHAW Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation machte sich in der Fachliteratur auf die Suche nach geeigneten Rohstoffen aus unterschiedlichen Nebenströmen. Die Rohstoffe sollten aus der Schweiz stammen, ganzjährig verfügbar und auch in den notwendigen Mengen beschaffbar sein. Weiter spielten die Zusammensetzung und die Verarbeitbarkeit als Biokunststoff eine wichtige Rolle.
Basierend auf obigen Kriterien fiel die Auswahl auf folgende vier Rohstoffe:
- Kartoffelschalen, Volumen 26’127 t TS/Jahr
- Molkenprotein, Volumen 15’184 t TS/Jahr
- Gluten, Beiprodukt der Stärkeproduktion
- Kaffeesatz, Volumen 6.5 t TS/Jahr
Gluten wurde aufgrund des allergenen Potenzials am Ende wieder von der Liste gestrichen.
Das richtige Rezept
In einem zweiten Schritt evaluierte das Forschungsteam mögliche Rezepturen für die Compoundierung evaluiert. Dies ist ein spezielles Verfahren bei der Kunststoffherstellung, bei dem Zusätze, sogenannte Additive, zur Erzielung der gewünschten Eigenschaften beigemischt werden. Dies kann unter anderem eine gewünschte Farbe, ein erhöhter Flammpunkt (Verbundwerkstoff fängt erst bei wesentlich höheren Temperaturen zu brennen) oder eine bessere mechanische Eigenschaft wie Zugfestigkeit, Schlagzähigkeit oder Bruchdehnung sein.
Die Forschungsgruppe ging in ihrer Recherche auch der Frage nach, welcher Biokunststoff für die Einarbeitung von Nebenströmen am besten geeignet ist. Die Wahl fiel auf das Polyester Polybutylensuccinat, kurz PBS, da eine gewisse Expertise bei der Verarbeitung dieses Materials bereits vorhanden war. Um die Maschinengängigkeit zu gewährleisten, sollte in einem ersten Praxisversuch das Verhältnis 70/30 PBS/Nebenstrom eingesetzt werden.
Erfolgreiche Extrudierung
Die SAX war für die ersten Praxisversuche verantwortlich. Die Schweizer Firma ist auf die Herstellung, Aufbereitung und Einfärbung von technischen Kunststoffen spezialisiert. Vor der eigentlichen Compoundierung musste die SAX Mitarbeiter die ausgewählten Nebenströme zuerst vorbehandeln. Kaffeesatz wie auch Kartoffelschalen wurden vorerst getrocknet, dann gemahlen und nochmals nachgetrocknet. Das Molkenproteinkonzentrat musste lediglich nachgetrocknet werden, bis es bereit für den Einsatz war.
Nun konnten die Nebenströmen in Kombination mit dem Biokunststoff PBS compoundiert werden. Die Extrudierung (formgebendes Verfahren) war bei allen drei eingesetzten Rohstoffen erfolgreich. Das Endresultat: nachhaltige Pellets, die auf ihren weiteren Einsatz warten.
Vielversprechende Machbarkeitsstudie
Im zweiten Schritt wurden aus diesen produzierten Nebenstromcompounds Schulter- und Schlagstäbe spritzgegossen, um die mechanischen und physikalischen Eigenschaften zu bestimmen.
Und zu guter Letzt testeten die Mitarbeiter der Silac die Verarbeitbarkeit der hergestellten compoundierten Pellets mittels Spritzgusses. Zu diesem Zweck wählte die Projektgruppe eine «anspruchsvolle» dreidimensionale Form eines Globushalters. Es sollte sich zeigen, ob die entwickelten Pellets die hohen Stabilitäts- und Funktionsanforderungen erfüllen.
Mittels Prozessoptimierung konnten die Spritzgussparameter für die jeweiligen Nebenstromcompounds so angepasst werden, dass alle drei Nebenströme zu dem dreidimensionalen Werkstück verarbeitet werden konnten.
Rohstoffe aus Kreislaufwirtschaft
Die Vorstudie hat gezeigt, dass aus den drei Lebensmittelnebenströmen ein serientaugliches Material entwickelt werden kann. Auch wenn noch weitere Entwicklungen und Optimierungen notwendig sind, ist das Potenzial klar vorhanden. Wie weiter?
Wir sind zuversichtlich, dass unsere Kunden offen für diesen nachhaltigen Ansatz sind und wir bald Verpackungen aus Lebensmittelabfall in grossen Mengen produzieren können. Denn der Nutzen der Kreislaufwirtschaft liegt auf der Hand. Wir alle profitieren vom Rohstoff-Recycling.
Möchten auch Sie Ihren Teil zur Food Waste Reduktion beitragen? Nehmen Sie noch heute Kontakt mit uns auf.