
Die Kunststoffindustrie steht vor einem Wandel: Nachhaltigkeit ist keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit. Das von Innosuisse geförderte Projekt “Entwicklung geschlossener Kreisläufe für Lebensmittelkontakt rPP (FCMrPP)” hat einen wichtigen Meilenstein erreicht: Die ersten Lebensmittelverpackungen aus recyceltem post-consumer Polypropylen (rPP) wurden erfolgreich hergestellt.
Ziel des Projekts: Geschlossener Kreislauf für rPP
Polypropylen ist mit rund 23 % aller Kunststoffverpackungen in der Schweiz eines der meistgenutzten Polymere, insbesondere in der Lebensmittelindustrie. Trotz seiner Recyclingfähigkeit wird der grösste Teil derzeit verbrannt oder minderwertig weiterverwendet. Das Projekt untersucht die Machbarkeit eines geschlossenen Kreislaufs für rPP in der Schweiz. Es umfasst alle Prozessschritte von der Sammlung über die Aufbereitung bis zur Verarbeitung, um herauszufinden, ob und unter welchen Bedingungen rPP künftig für Lebensmittelverpackungen eingesetzt werden kann.
Vom Abfall zur neuen Verpackung: Der Recyclingprozess in sechs Schritten
Die Herstellung von rPP für den Lebensmittelkontakt ist komplex. Jeder Schritt beeinflusst die Qualität des Endprodukts.
- Sammlung
Die Materialqualität beginnt bei der richtigen Trennung. Analysiert wurde, wie bestehende Sammelsysteme die Reinheit des rPP beeinflussen und welche Optimierungen möglich sind. - Sortierung
Mithilfe von Nahinfrarotspektroskopie (NIR) und künstlicher Intelligenz (KI) wurden PP-Verpackungen effizient in weisse/transparente und bunte Fraktionen sortiert. Die KI entschied in Millisekunden, ob die Verpackungen für Lebensmittelkontakt geeignet waren. - Waschen & Reinigung
Verschiedene Waschmethoden wurden getestet, um Fettrückstände, Klebstoffe und Druckfarben zu entfernen. Denn die Effizienz der Reinigung hat direkten Einfluss auf die Materialqualität. - Deinken
Druckfarbenrückstände stellen eine Herausforderung für die hohe Reinheit von Lebensmittelverpackungswerkstoffe dar. Das Projekt untersuchte verschiedene Methoden zur Entfernung der Druckfarbe.L: Flakes vor dem Waschen / M: Nach dem Waschen / R: Flakes vollständig deinkt (Bild: KATZ) - Compoundieren
Das gewaschene und deinkte Material wurde zu Granulat verarbeitet. Dabei wurde geprüft, wie sich die mechanischen Eigenschaften des recycelten Polypropylens verändern und ob spezielle Additive erforderlich sind, um die gewünschte Stabilität und Verarbeitbarkeit zu erreichen. - Industrielle Verarbeitung & Produktion von Prototypen
Abschliessend wurde das rPP-Granulat unter realen Produktionsbedingungen bei Silac getestet. Prototypen wie ein Streueinsatz für Lebensmittel, eine Steckkappe für Kosmetikanwendung, eine Aufbewahrungsbehälter oder ein Taschenaschenbecher für Non-Food-Anwendungen wurden erfolgreich hergestellt.

Erkenntnisse aus dem Projektverlauf
Die umfassenden Tests haben wertvolle Erkenntnisse geliefert, die nun in die Weiterentwicklung der Prozesse einfliessen:
- Farbgebung:
Reines Weiss ist mit rPP aktuell schwer zu erreichen. Alternative Farblösungen wie z.B. grau müssen in Betracht gezogen werden. - Reinheit:
Die Qualität des recycelten Materials hängt stark von der Effizienz der Wasch- und Sortierprozesse ab. Eine verbesserte Trennung bereits bei der Sammlung könnte helfen. - Sammlung:
Die Qualität des Endmaterials beginnt bei den Konsumierenden. Eine gezieltere Aufklärung darüber, wie Kunststoffe korrekt entsorgt werden, könnte einen grossen Unterschied machen.
Silacs Beitrag: Innovation trifft Praxis

Als erfahrener Kunststoffverarbeiter hat Silac eine zentrale Rolle im Projekt übernommen. In der Produktion in Euthal wurde die Verarbeitung des recycelten Granulats erfolgreich getestet. Die wichtigsten Erkenntnisse:
- rPP kann erfolgreich verarbeitet werden, erfordert jedoch Anpassungen der Prozessparameter.
- Die Farbgebung bleibt eine Herausforderung, da recyceltes Material nicht dieselbe Reinheit und Brillanz wie Neuware aufweist.
- Die industrielle Umsetzung ist machbar. Der nächste Schritt ist die Sicherstellung der Lebensmittelsicherheit und Zertifizierung des Materials.
Zusammenarbeit für eine nachhaltige Zukunft
Ein solches Vorhaben lässt sich nur mit starken Partnern umsetzen. Das Realcycle-Projekt vereint namhafte Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus der gesamten Wertschöpfungskette:
- Realcycle GmbH – Projektkoordination und Expertise im Bereich nachhaltige Kunststoffe
- Silac AG – Entwicklung und industrielle Umsetzung nachhaltiger Verpackungslösungen
- Migros Industrie & Coop – Erprobung von rPP für Verpackungen im Detailhandel
- BASF & BASF Plastic Additives – Optimierung von Additiven zur Verbesserung von rPP
- Emmi Gruppe, Greiner Packaging & säntis packaging – Anwendung und Prüfung in der Verpackungsproduktion
- InnoPlastics AG – Recycling und Herstellung von rPP-Granulaten
- KATZ (Kompetenzzentrum für Angewandte Technologie und Nachhaltigkeit) – Forschung und Materialprüfung
- Universität St. Gallen (Institute of Technology Management) – Wissenschaftliche Begleitung der Prozessoptimierung
Herausforderungen auf dem Weg zum geschlossenen Kreislauf
Obwohl die ersten Verpackungsprototypen erfolgreich hergestellt wurden, bleibt noch viel Arbeit zu tun. Eine der grössten Herausforderungen sind die regulatorischen Hürden, da recyceltes Polypropylen für den Lebensmittelkontakt aktuell nicht zugelassen ist. Um die Machbarkeit zu überprüfen, stehen nun erste Tests zur Lebensmittelsicherheit an. Zudem erfordert die Materialoptimierung weitere Forschungsarbeiten, da sowohl die Farbigkeit als auch die mechanischen Eigenschaften von rPP stark variieren und für bestimmte Anwendungen angepasst werden müssen. Ein weiteres zentrales Thema ist die Prozessstabilität: Die getesteten Recyclingverfahren müssen weiter optimiert werden, um eine gleichbleibend hohe Qualität des recycelten Materials sicherzustellen.
Wie geht es weiter?
Mit der erfolgreichen Produktion erster Prototypen ist ein wichtiger Schritt getan. Der Fokus liegt nun auf der Optimierung der Prozesse und der Prüfung der Lebensmittelsicherheit. Gleichzeitig wird daran gearbeitet, das Bewusstsein für korrektes Kunststoffrecycling zu stärken.
Silac bleibt weiterhin engagiert – denn echte Nachhaltigkeit bedeutet, neue Wege nicht nur zu denken, sondern sie auch konsequent zu gehen.
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